Liebe Leserinnen und Leser,
Berlin hat den Großteil seiner Landesbeamten über mehr als ein Jahrzehnt verfassungswidrig besoldet. Die Hauptstadt hat ihre Bediensteten zwischen 2008 und 2020 von der allgemeinen Einkommensentwicklung und den steigenden Lebenshaltungskosten abgekoppelt. Die Landespolitik wollte den Haushalt Berlins auch auf dem Rücken der Menschen sanieren, die die Stadt tagtäglich am Laufen halten. Dem hat das Bundesverfassungsgericht ein Ende gesetzt. Das Argument Berlins, man befinde sich in einer finanziellen Notlage, ließ Karlsruhe als Rechtfertigung für den dauerhaften Verfassungsbruch nicht gelten. Stefan Schifferdecker, Vorsitzender des Berliner Richterbundes, dringt jetzt auf einen schnellen Kurswechsel: „Auch wegen der zu geringen Bezahlung im öffentlichen Dienst funktioniert unsere Stadt an manchen Stellen nicht mehr.“ Berlin müsse die Entscheidung unverzüglich umsetzen und das vorenthaltene Geld nachzahlen. Für den Vorsitzenden des Brandenburger Richterbundes, Stephan Kirschnick, weist der Karlsruher Richterspruch weit über Berlin hinaus: „Wenn alle Besoldungsgruppen bis A11 in allen untersuchten Jahren unterhalb der Armutsrisikogrenze liegen, ist das ein gravierender Befund. Es ist davon auszugehen, dass durch diese nachhaltige Erschütterung des Besoldungsgefüges auch die R-Besoldung der Richter und Staatsanwälte sich als nicht verfassungsgemäß erweisen wird, nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg und anderen Bundesländern“, so Kirschnick.
Der Handlungsdruck auf die Politik dürfte in den kommenden Monaten weiter zunehmen. Es sind weitere Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten, dem noch Dutzende Besoldungsverfahren aus mehreren Bundesländern zur Entscheidung vorliegen. Die mit immer neuen Klagen von Beamten, Richtern oder Staatsanwälten gegen ihre Besoldung befassten Verwaltungsgerichte haben reihenweise Fälle in Karlsruhe vorgelegt, weil sie die angegriffenen Landesbesoldungsgesetze für verfassungswidrig erachten. Andreas Stadler ordnet die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichts und ihre Auswirkungen auf die künftige Besoldungslandschaft in einer vertieften Analyse ab Seite 442 für Sie ein.
Viel Spaß beim Lesen wünscht