The Reichstag Dome in Berlin

Zuspitzung im Endspurt

Liebe Leserinnen und Leser,

der Bundestagswahlkampf geht in seine heiße Endphase. Eine zunehmend hitzig geführte Debatte um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik drängt alle anderen Themen an den Rand. Auch die Pläne der Parteien für die Rechts- und Innenpolitik treten angesichts dieser Zuspitzung in den Hintergrund. Die Richterzeitung hat die Wahlprogramme analysiert und führende Vertreter der Bundestagsfraktionen befragt, welche Schwerpunkte ihre Parteien für die Bereiche Justiz, Strafverfolgung und innere Sicherheit setzen wollen.  

Einig sind sich CDU/CSU, SPD und Grüne darin, dass sie die Gerichte und Staatsanwaltschaften durch eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat mit den Ländern personell und technisch besser aufstellen wollen, damit insbesondere die Strafjustiz ihre steigenden Verfahrenszahlen und wachsenden Aufgaben besser bewältigen kann. Bereits die gescheiterte Ampel-Koalition hatte sich den Pakt in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, ehe der damalige FDP-Bundesfinanzminister sein Veto einlegte und das Vorhaben zur Digitalinitiative schrumpfte. Es ist deshalb nicht überraschend, dass die FDP in ihrem Wahlprogramm zwar eine starke Strafjustiz fordert, sich aber nicht zu einem Neuanlauf beim Rechtsstaatspakt bekennt. Dabei ist er heute notwendiger denn je, auch um die 2023 gestartete Digitalinitiative auszubauen. Für einen Digitalisierungsschub reicht das bisherige Budget hinten und vorne nicht. KI-Assistenzprogramme zum Beispiel, die den Gerichten etwa in Fluggastverfahren durch die Fließband­klagen der Legal-Tech-Anbieter helfen können, stehen noch immer nicht flächendeckend zur Verfügung. Hier bräuchte es mehr Tempo und größere Ambitionen.

Im internationalen Teil blickt die DRiZ nach Österreich, Ungarn und Polen. In Österreich greift die FPÖ nach dem Kanzleramt und könnte von dort die Machtprobe mit der Justiz suchen, wie Daniel Bischof berichtet. Im Nachbarland Ungarn setzt Viktor Orban derweil seinen Kurs fort, die Gerichtsbarkeit der Politik zu unterwerfen. Die gekürzten EU-Hilfen für Ungarn haben den Regierungschef nicht beeindruckt, analysiert Attila Vincze. Auch in Polen ist der Rückweg zur Rechtsstaatlichkeit steinig, wie Dorota Zabłudowska beschreibt. Die zahlreichen rechtlichen Probleme nach der Abwahl der PiS seien wie ein gordischer Knoten verwoben.  

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Sven Rebehn

Chefredakteur