Mit Donald Trump ist wohl einer der prozesserfahrensten Präsidenten der USA ins Weiße Haus eingezogen. Für die Zeit von 1973 bis zu seinem ersten Amtsantritt Anfang 2016 listet Wikipedia mehr als 4000 Verfahren auf, in denen Trump oder eine seiner Gesellschaften vor Gerichten des Bundes oder der Einzelstaaten beteiligt waren. Seit dem Beginn seiner zweiten Amtszeit testet er offensiv die Grenzen seiner Macht und geht dabei keinem Konflikt mit der Justiz aus dem Weg.
Es war ein Rechtsanwalt, der den jungen Immobilienverwalter aus dem New Yorker Stadtteil Queens in die Geschäftswelt von Manhattan einführte und ihm die Regeln des Überlebens in diesem Moloch beibrachte. Roy Cohn war in jungen Jahren die rechte Hand von Joseph McCarthy bei dessen Kommunistenhatz im Senat gewesen. In den 1970er-Jahren machte er es sich zur Aufgabe, den Novizen Trump bei den New Yorker Eliten einzuführen und ihn gegen die wachsende Zahl seiner Gegner zu verteidigen: „Cohn brachte Trump bei, wie man Macht einsetzt und Furcht erzeugt, mit der Formel: Angriff, Gegenangriff, niemals entschuldigen“, wie es die Washington Post beschreibt.
Trump und der McCarthy-Mann
Die Zahl der danach von Trump beschäftigten Rechtsanwälte ist schwer zu überblicken. Kaum einer wollte längere Zeit mit ihm zusammenarbeiten, wenn ihm nicht Trump mit einem „you’re fired“ zuvorkam. Nur Michael Cohen durfte zwölf Jahre lang für Trump als Problemlöser tätig sein, indem er etwa die Schweigegeldzahlung an das Porno-Sternchen Stormy Daniels einfädelte. Zuletzt log er für Trump im Kongress und ging für drei Jahre ins Gefängnis. Als Donald Trump 2016 die Wahl gewonnen hatte, war er auf die Präsidentschaft nicht vorbereitet. Nur mühsam gewöhnte er sich an den Gedanken, dass er sich nun um alles das kümmern sollte, was er im Wahlkampf angeprangert und versprochen hatte. Und vor allem hatte er keine große Mannschaft, die wirklich alle Themen in seinem Sinne angehen konnte. So musste er in vielen Dingen auf den Rat derer zurückgreifen, die schon immer da gewesen waren und bereits jedem Präsidenten gedient hatten, der gerade im Weißen Haus residierte. Es waren meist Juristen, die Bedenken vortrugen, ob die Vorhaben überhaupt rechtlich umsetzbar waren, die Trump in seiner impulsiven Art längst per Twitter hinausposaunt hatte. So verzweifelte er immer wieder am Recht, wie es die Juristen auslegten, erst recht, als seine Versuche, die Wahl von 2020 doch noch umzudrehen, alle an der bestehenden Rechtsordnung scheiterten. Nachdem er missmutig sein Präsidentenamt abgegeben hatte, musste er erleben, dass sich das von ihm so oft beschworene Prinzip von Recht und Ordnung gegen ihn wendete. Es wurde gegen ihn ermittelt, sein Haus durchsucht, schließlich wurden Anklagen gegen ihn erhoben, auch gegen seine Helfershelfer. Er selbst konnte zwar mithilfe vieler Anwälte die Mehrzahl seiner Verfahren so weit hinauszögern, dass aufgrund seiner Wiederwahl ihn inzwischen erneut seine Immunität als „Landesherr“ schützt. Doch einige Verfahren konnten trotz allen Taktierens abgeschlossen werden mit dem Verdikt der Geschworenen: „Schuldig im Sinne der Anklage“. So konnte Trump nur mit dem Makel wieder ins Weiße Haus einziehen, ein verurteilter Verbrecher zu sein.
Verurteilter Verbrecher im Weißen Haus
Diesmal war Trump besser vorbereitet. Um genauer zu sein: Seine konservativen Freunde und MAGA-Anhänger (Make America Great Again) hatten die Interimszeit genutzt, um Lastenhefte für einen Neuanfang in einer zweiten Amtszeit zu erstellen. Er selbst, der als nachtragend und rachsüchtig bekannt ist, dürfte vor allem ein Ziel gekannt haben: Rache zu nehmen an allen, die gegen ihn waren. Aber zunächst kümmerte er sich an Tag eins um die Getreuesten unter seinen Anhängern, die wegen Teilnahme am Sturm aufs Kapitol verurteilt worden waren. Zwar hieß es vorher, eine Amnestie für diejenigen unter ihnen, die wegen Gewalt gegen Personen verurteilt wurden, komme nicht in Betracht. Doch als die Mitarbeiter mit Trump die Liste der mehr als 1600 Täter durchgehen wollten, soll Trump, so heißt es, schon nach kurzer Zeit ausgerufen haben: „Ach, was soll’s, lasst sie alle laufen.“ Dann verließ er den Raum. Im Justizministerium installierte er, noch bevor die neue Justizministerin im Amt bestätigt war, seine Anwälte, die ihn zuletzt in New York verteidigt hatten. Diese feuerten oder versetzten umgehend alle Bundesanwälte, die in den letzten Jahren an einem der Verfahren gegen Trump beteiligt gewesen waren.
Trump ließ auch Anklagen gegen ihm verbundene Personen zurücknehmen und Ermittlungsverfahren gegen ihm missliebige Menschen einleiten. Damit setzt er den hergebrachten Grundsatz der Nichteinmischung des Weißen Hauses in Justizangelegenheiten außer Kraft. Denn Trump folgt der Meinung, die er aus der Verfassung herausliest, dass der Präsident – und nur er allein – die Exekutive ist und in allen Dingen der Verwaltung das letzte Wort haben muss, ungeachtet aller Vorbehalte einer Mitsprache, die die Legislative hinsichtlich der Durchführung ihrer Gesetze seit Jahren in etliche Vorschriften eingefügt hat. Trump sieht sich durch den Supreme Court bestätigt, der ihm bei amtlichen Handlungen als Präsident eine weitgehende strafrechtliche Immunität zugesichert hat, weil die Verfassung die Amtsvergehen dem Impeachment durch das Parlament vorbehält. Dabei übersieht Trump geflissentlich, dass ihm als Präsident die Aufgabe übertragen ist, nach den Vorgaben von Parlament und Gerichten die Umsetzung von Recht und Ordnung durch die ihm nachgeordnete Exekutive zu gewährleisten. Wie sagte er doch jüngst: „Die USA, das ist mein Laden.“ Trumps Furor gegen die ihm hinderlichen Rechtsvertreter richtet sich jedoch nicht nur gegen die Bedenkenträger im „eigenen“ Justizministerium. Er erließ auch mehrere Executive Orders, in denen einzelne große Anwaltskanzleien von Regierungsmandaten ausgeschlossen und mit Hausverboten in den Ministerien belegt wurden. Der Anlass für diese Strafmaßnahmen: Eine der Kanzleien hatte vor einigen Jahren für kurze Zeit den früheren Sonderermittler Robert Mueller III in ihre Reihen aufgenommen, der Trumps Russland-Kontakte in Wahlkampfzeiten untersucht hatte. Eine andere Kanzlei hatte den Fehler begangen, den Anwalt Doug Emhoff zu beschäftigen, der in zweiter Ehe mit einer gewissen Kamala Harris verheiratet ist. Einige der betroffenen Kanzleien fürchteten nun um ihr Geschäftsmodell der Lobbyarbeit in der Hauptstadt und schlossen mit Trump Vereinbarungen, in denen sie kostenlose Pro-bono-Tätigkeiten im Wert von etlichen Millionen Dollar (insgesamt rund eine Milliarde Dollar) „für gemeinsame Ziele“ zusagten. Pro-bono-Abteilungen leisten sich die Großkanzleien ohnehin aus Image-Gründen und sind eigentlich für Bedürftige gedacht, nicht für Milliardäre auf dem Präsidenten-Thron. Es wird spannend sein, zu beobachten, für welche gemeinsamen Ziele die Pro-bono-Stunden eingesetzt werden, da Trump darunter sicherlich nur seine eigenen Zwecke versteht, während die Kanzleien tapfer erklären, die Ziele selber bestimmen zu wollen.
Aber nicht alle Kanzleien sind vor Trump eingeknickt. Andere Kanzleien haben die Executive Orders angefochten – bislang zumindest vorläufig stets mit Erfolg. Unterdessen klagt auch die American Bar Association gegen die Regierung wegen Bedrohung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch Trumps Executive Orders. Für die Kanzleien, die sich auf Trumps Spielchen eingelassen haben, hat dies inzwischen überwiegend zweierlei Folgen: Zum einen verließen etliche Anwälte diese Kanzleien, vor allem diejenigen, die sich erst kürzlich aus dem Staatsdienst zu ihnen geflüchtet hatten. Zum anderen wechselten einige, auch große Mandanten zur „wehrhaften“ Konkurrenz, weil sie den Anwälten auf Schmusekurs mit dem Präsidenten keine Standfestigkeit gegenüber der Regierung zutrauen. Selbst der Präsident wunderte sich, als er zu den Journalisten an Bord von Air Force One sagte: „Es ist erstaunlich, dass sie (die Kanzleien) mir (sic!) ungeheuer viel Geld (sic!) geben – dabei haben sie doch nichts falsch gemacht.“