Liebe Leserinnen und Leser,
Union und SPD haben eine in Teilen turbulente Sommerpause hinter sich. Von einer Koalitionskrise war zu lesen, eine Klausur der Fraktionsvorstände Ende August habe für einen Neustart sorgen müssen. Tatsächlich hat die im Juli in letzter Minute geplatzte Verfassungsrichterwahl Vertrauen gekostet. Nicht nur innerhalb der Koalition, sondern auch in der Bevölkerung, die ein geordnetes, dem Ansehen und der Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts angemessenes Wahlverfahren erwarten darf. Die Regierungsfraktionen haben (sich) versprochen, es im zweiten Anlauf besser zu machen. Ob es gelingt, wird sich erweisen.
Die gescheiterte Richterwahl hat einen für die Justiz wegweisenden Beschluss der Koalition im Juli etwas in den Hintergrund gerückt: Das Bundeskabinett hat den Weg zur Neuauflage des Bund-Länder-Rechtsstaatspakts geebnet. Mit einem Budget von fast einer halben Milliarde Euro für den Pakt setzt die Koalition ein Ausrufezeichen hinter ihr Versprechen, die Justiz als Rückgrat des Rechtsstaats zu stärken. 240 Millionen Euro sind als Anschubfinanzierung für zusätzliches Personal vorgesehen, 210 Millionen Euro für die weitere Digitalisierung. Die Stellenoffensive muss insbesondere die unterbesetzten Strafgerichte und Staatsanwaltschaften verstärken. Die Ermittlungsbehörden schieben rund 965.000 offene Fälle vor sich her, wie eine aktuelle Umfrage der Richterzeitung ergeben hat. Nie war der Verfahrensstau länger als heute. Wichtig ist deshalb, dass die finanzielle Hilfe des Bundes schnell in den Staatsanwaltschaften und Gerichten ankommt. Es braucht im nächsten Schritt eine Bund-Länder-Vereinbarung, mit der die Länder sich verpflichten, 2000 zusätzliche Stellen für Richterinnen und Staatsanwälte zu schaffen. Diese Zahl hält die Justizministerkonferenz für mindestens erforderlich.
Zudem plant die Koalition Reformen im Prozessrecht. Auch hier macht Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) Tempo. In diesen Tagen nimmt eine Expertenkommission ihre Arbeit auf, die sich unter anderem den Fragen widmet, ob der Instanzenzug im Strafprozess gestrafft werden sollte, ob das Strafbefehlsverfahren und das beschleunigte Verfahren auszuweiten sind und ob die Vorschriften für die strafgerichtliche Hauptverhandlung noch auf der Höhe der Zeit sind. Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) formuliert in der DRiZ die Erwartung, dass am Ende eine „anspruchsvolle Reformagenda“ mit „mutigen Vorschlägen“ steht.
Viel Spaß beim Lesen wünscht