Die Einführung der DNA-Analyse hat in den 1990er-Jahren die Kriminaltechnik revolutioniert und seitdem zur Aufklärung Tausender Verbrechen weltweit beigetragen. Die Möglichkeiten und wissenschaftlichen Methoden zur Untersuchung auch unbekannten DNA-Spurenmaterials entwickeln sich ständig weiter. Wir müssen den technischen Fortschritt nutzen, um mithilfe der sogenannten erweiterten DNA-Analyse schwerste Verbrechen aufzuklären.
§ 81e Abs. 2 Satz 2 StPO erlaubt seit einer Änderung im Jahr 2019 im Rahmen der erweiterten DNA-Analyse Feststellungen zu Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie dem Alter des Spurenverursachers. Daneben ist dank des technischen Fortschritts anhand von Feststellungen zur biogeografischen Herkunft mittlerweile auch aufklärbar, aus welcher Weltregion der Täter stammt. Forensiker setzen sich seit Jahren mit Nachdruck für eine solche Ausweitung der Analysemöglichkeiten ein. Der Bundesgesetzgeber hat bislang von dieser Möglichkeit abgesehen.
Wir wollen Straftaten unter Einsatz moderner Ermittlungsmethoden effektiv aufklären und Straftäter ermitteln. Es ist nicht hinnehmbar, dass Ermittler gezwungen sind, bei Mordfällen, Sexualstraftaten oder Entführungsdelikten bewusst die Augen vor wissenschaftlichen Erkenntnisquellen zu verschließen, weil das geltende Recht solche Untersuchungen nicht zulässt. Deshalb muss auch das Merkmal der biogeografischen Herkunft in den Katalog des § 81e Abs. 2 Satz 2 StPO aufgenommen werden. In anderen Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder der Schweiz ist das Verfahren zur Feststellung der biogeografischen Herkunft längst gängige Praxis.
Die Sorgen gegenüber einer möglicherweise missbräuchlichen Nutzung dieser wissenschaftlichen Methode sind unbegründet. Das oftmals angeführte Argument, eine solche Methode diskriminiere Minderheiten im Sinne eines „Racial Profiling“ ist nicht nachvollziehbar. Unter dem Begriff „Racial Profiling“ werden verdachtsunabhängige Ermittlungen gegen eine Person allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes verstanden. Hierauf zielt die erweiterte DNA-Analyse aber nicht ab. Ihr Ziel ist es, einen Beitrag zur Identifizierung eines Täters auf der Grundlage anerkannter wissenschaftlicher Methoden zu leisten. Wenn Ermittler am Tatort gefundenes Spurenmaterial untersuchen und beispielsweise Erkenntnisse über die Augen-, Haar- und Hautfarbe gewonnen haben, können sie mit der erweiterten DNA-Analyse die Ergebnisse der Untersuchung überprüfen und neue Ermittlungsansätze gewinnen.
Es macht keinen Unterschied, ob die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, dass der Täter aus einer bestimmten Region stammt oder sich dies molekulargenetisch aus dem Spurenmaterial ergibt. Die Strafverfolgungsbehörden werden durch die erweiterte DNA-Analyse dabei unterstützt, den Kreis möglicher Tatverdächtiger bei schwersten Verbrechen so weit einzugrenzen, dass zielgerichtete Ermittlungsmaßnahmen möglich sind. Darüber hinaus können vermehrte Erkenntnisse sogar Stigmatisierungen entgegenwirken, indem sie unzutreffende Annahmen zur vermeintlichen Herkunft eines Täters ausräumen. Die Nutzung moderner Analysemöglichkeiten ist daher ein rechtsstaatlicher Gewinn.
Das Strafverfahrensrecht muss grundsätzlich offen sein für neue wissenschaftliche Untersuchungsmethoden und Forschungsansätze. Aber nicht alles, was möglich ist, ist auch für die Ermittlungen sinnvoll beziehungsweise mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Die DNA-Forschung hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht und damit auch die Möglichkeiten der Forensik erweitert. Seit Einführung des
§ 81e StPO im Jahr 1997 konnte eine Vielzahl bis dahin ungelöster Fälle durch den Abgleich von DNA-Spuren aufgeklärt werden.
Ende 2019 hat der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens – nach einer von Rheinland-Pfalz initiierten Forderung des Bundesrats aus dem Jahr 2017 – die molekulargenetische Untersuchung von Spurenmaterial nach § 81e StPO um die Feststellung äußerlich erkennbarer Merkmale (Alter, Haar-, Haut- und Augenfarbe) erweitert. Dabei wurde bewusst auf die Aufnahme des Merkmals der biogeografischen Herkunft verzichtet. Denn die entsprechende Untersuchung liefert lediglich Aussagen über die kontinentale Herkunft der Eltern des Spurenlegers; eine belastbare Aussage über deren genaues Herkunftsland oder die Herkunft des Spurenlegers selbst ist hingegen nicht möglich. Damit ist das Merkmal der biogeografischen Herkunft ungeeignet, belastbare Aussagen zum äußeren Erscheinungsbild des Spurenlegers zu treffen; es kann mithin auch bestehende Informationen (etwa zu Augen- und Haarfarbe) nicht sinnvoll ergänzen oder besser interpretierbar machen.
Die damalige Bundesjustizministerin begründete den Verzicht folgerichtig damit, dass derartige Informationen ermittlungstaktisch nicht weiterhelfen würden, sondern lediglich zur Folge hätten, eine größere Gruppe an den Pranger zu stellen. Diese zutreffende Feststellung beansprucht unverändert Gültigkeit. Im Gegensatz zu den Erweiterungen im Jahr 2019, die sich auf äußerlich erkennbarere Merkmale beziehen, stellen Untersuchungen zur biogeografischen Herkunft einen gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, der die vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2000 definierten Grenzen überschreiten dürfte.
Es ist daher bereits zweifelhaft, ob diese Untersuchung verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Zugleich ist nicht erkennbar, welchen Nutzen es für die Ermittler hat, wenn etwa festgestellt wird, dass die Mutter eines unbekannten Spurenlegers aus Europa und der Vater aus Afrika stammen. Die Kontinente sind groß. Menschen aus dem Norden der Kontinente können deutlich anders aussehen als solche aus deren Westen.
Außerdem bergen derartige Informationen ein erhebliches Risiko der Fehlinterpretation. Es besteht die offenkundige Gefahr, dass dadurch rassistische Ressentiments ausgelöst oder verstärkt werden. Wenn behauptet wird, diese Untersuchung könne auch der Entlastung von Gruppen dienen, so ist vor allem festzustellen, dass sie umgekehrt geeignet sein kann und wird, ganze Bevölkerungsgruppen zu belasten und rassistischen Stereotypen und Vorurteilen Vorschub zu leisten sowie Ermittlungen in die falsche Richtung zu lenken. Ein erheblicher Eingriff in Grundrechte, ein kaum erkennbarer Nutzen für das Ermittlungsverfahren und das Risiko der Förderung rassistischer Vorurteile: Von der Aufnahme einer solchen Regelung sollte unbedingt Abstand genommen werden.