Mit der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität soll in Nordrhein-Westfalen der immer professioneller agierenden Wirtschafts- und Finanzkriminalität eine effiziente und landesweit zuständige Einheit entgegentreten.
Noch Anfang Januar wussten die 48 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nicht, welche Pläne das Ministerium der Finanzen und das Ministerium der Justiz in Nordrhein-Westfalen schmiedeten. Die vier Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafverfahren in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Köln wurden schon 1968 eingerichtet und haben seit dieser Zeit etliche prominente, aber auch weniger bekannte Großverfahren mit Erfolg bearbeitet. Das Mannesmann-Verfahren, das Westfleisch-Verfahren oder die Ermittlungen gegen den Kaufhaus-Manager Thomas Middelhoff und den ehemaligen Post-Vorstandsvorsitzenden Klaus Zumwinkel waren von großer Bekanntheit. In der täglichen Arbeit ermitteln in den Schwerpunkten besonders spezialisierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zusammen mit Wirtschaftsreferentinnen und -referenten sowie kaufmännisch ausgebildeten Ermittlungsassistentinnen und -assistenten.
Am 17. Januar 2025 dann ein Paukenschlag aus Sicht der Schwerpunktstaatsanwaltschaft: Bei einer Pressekonferenz verkündete Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) die geplante Einrichtung der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität (ZeFin NRW) bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. In Düsseldorf und wohl auch bei den anderen Schwerpunktstaatsanwaltschaften des Landes kamen Fragen auf wie: „Mit uns? Statt uns? Neben uns?“
Schnell wurde klar, dass eine integrative Struktur zwischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Zentralstelle geschaffen werden sollte. Der Plan, die Einrichtung der Zentralstelle zum 1. Juli 2025, war ambitioniert. Doch: Es gab keine komplizierte Berichtskommunikation, sondern eine Arbeitsgruppe des Justizministeriums, der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf und der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Runde Tische statt langwieriger Berichte führten zum Erfolg. Bedenken wurden zielorientiert diskutiert, Probleme angegangen und zumeist gelöst. Die Raumplanung bei ohnehin knappen Ressourcen war herausfordernd. Eine intensive, oft stressige, aber gewinnbringende Zeit.
Schwerpunkt bei herausragenden Verfahren der Finanz- und Wirtschaftskriminalität
Ziel war es, der immer professioneller und organisierter agierenden Wirtschafts- und Finanzkriminalität eine effiziente und landesweit zuständige Einheit gegenüberzustellen. Dabei sollten die erfolgreich arbeitenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen des Landes ergänzt und nicht ersetzt werden. Die ZeFin soll aber nicht nur ermitteln, sondern auch verfahrensunabhängig als Ansprech- und Analysestelle für aktuelle Kriminalitätsphänomene tätig sein. Für das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF), das Landeskriminalamt (LKA), den Zoll, die Task Force NRW „Ressortübergreifende Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus“ und andere ist die ZeFin nunmehr eine feste Ansprechstelle. Insbesondere sollen so Zuständigkeitskonflikte durch Kommunikation und Koordination vermieden werden. Ziel: schnell, effizient und überregional und damit nicht den Tätern hinterherhinken. Der Schwerpunkt wird bei der Verfahrensbearbeitung von herausgehobenen Verfahren der Finanz- und Wirtschaftskriminalität liegen. Dazu gehören Verfahren der organisierten Wirtschaftskriminalität, große Steuerstrafverfahren, aber auch sensible Verfahren aus dem sogenannten White-Collar-Crime-Bereich.
Analyse neuer Kriminalitätsphänomene
Daneben gehören auch das Erkennen und die Analyse neuer Kriminalitätsphänomene zur Aufgabe der ZeFin. So können neu auftretende Fallkonstellationen verfahrensunabhängig beurteilt werden. Besteht ein Anfangsverdacht? Welche Ermittlungsstrategie bietet sich an? Gegebenenfalls wird auch ein Leuchtturmverfahren geführt. Die Erkenntnisse sind mit den Schwerpunktstaatsanwaltschaften beziehungsweise mit den allgemeinen Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften im Land zu teilen.
Die ZeFin soll zudem Ansprechstelle für Wirtschaft, Wissenschaft und Gremien sein. So hat ein großer Waschmittelhersteller aus Düsseldorf die ZeFin auf schadensträchtige Waschmittelfälschungen hingewiesen. Nach einer Präsentation bei dem Unternehmen gibt es nun ein Projekt Waschmittelfälschungen mit dem Ziel einer Handreichung für Ermittlungspersonen. Ein anderes Projekt befasst sich mit sogenannten Gewerbesteueroasen. Ziel ist es auch, die gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben. Die Weiterbildung, sei es durch Broschüren oder Handreichungen, durch Vorträge oder durch Erfahrungsaustausch, ist eine weitere Aufgabe der ZeFin.
Mitarbeitende aus anderen Generalstaatsanwaltschaftsbezirken gesucht
Und wer macht das alles? Erfahrene und engagierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Team mit Wirtschaftsreferentinnen und -referenten, Emittlungsassistenten und -assistentinnen sowie IT-Fachleuten. Es ist seit der Einrichtung gelungen, qualifiziertes Personal für die Arbeit in der ZeFin zu gewinnen. Doch weiterhin besteht Personalbedarf. Gerade aufgrund der landesweiten Zuständigkeit sind Kolleginnen und Kollegen, die aus den Generalstaatsanwaltschaftsbezirken Köln und Hamm kommen, gesucht und willkommen (zefin@sta-duesseldorf.nrw.de). Was am 17. Januar zunächst als Paukenschlag empfunden wurde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als logische Konsequenz – und als kluger Schachzug. Mit der ZeFin NRW entsteht eine Struktur, die Wissen bündelt, Erfahrung vernetzt und damit genau dort ansetzt, wo Kriminalität längst global agiert.