„Neuen Pakt für den Rechtsstaat rasch umsetzen“

Der Deutsche Richterbund (DRB) hat sich personell neu aufgestellt. Die Bundesvertreterversammlung hat sechs neue Gesichter in das 14-köpfige Präsidium gewählt (Seiten 180 ff.). An der Verbandsspitze stehen in den kommenden drei Jahren Andrea Titz und Achim Scholz. Sie kündigten nach ihrer Wahl an, dass der DRB sich mit Nachdruck für eine bessere personelle Ausstattung der Justiz, eine amtsangemessene Besoldung und die Resilienz des Rechtsstaats einsetzen wird.

 

„Die von der schwarz-roten Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verabredete Neuauflage des Bund-Länder-Rechtsstaatspakts, mit der die Staatsanwaltschaften und Gerichte wieder auf die Höhe ihrer gewachsenen Aufgaben kommen sollen, muss jetzt rasch umgesetzt werden“, forderten Titz und Scholz. Die Vizepräsidentin des Landgerichts Traunstein Titz wurde als Vorsitzende wiedergewählt. Richter am Bundessozialgericht Scholz folgt im Vorsitz auf Joachim Lüblinghoff, der in den Ruhestand geht. Lüblinghoff stand seit 2020 an der Verbandsspitze. Er hat sich in dieser Zeit unermüdlich für die Unabhängigkeit der Justiz und für einen „wetterfesten Rechtsstaat“ eingesetzt, der allen Anfeindungen durch illiberale politische Kräfte standhalten kann.

 

Verbesserte Digitalisierung, beschleunigte Verfahren und mehr Personal

 

Neben den Neuwahlen stand beim Verbandsgipfel in Berlin das neue Regierungsprogramm von Union und SPD im Mittelpunkt des Interesses. Darin findet sich auch das Versprechen einer Neuauflage des Rechtsstaatspakts, die in der Ampel-Koalition noch an der FDP gescheitert war. Wörtlich heißt es: „Wir werden mit einem neuen Pakt für den Rechtsstaat gemeinsam mit den Ländern die Justiz zukunftsfest machen. Er basiert auf drei Säulen: einer verbesserten Digitalisierung, einer Verschlankung und Beschleunigung von Verfahrensabläufen und einer personellen Stärkung. Nur durch eine Verbindung aller drei Elemente sichern wir die hohe Qualität der Rechtsprechung und ermöglichen schnelle Entscheidungen.“

 

Die Digitalisierung der Justiz wollen die Koalitionäre „konsequent fortführen“. Medienbrüche müssten der Vergangenheit angehören, eine Bundesjustizcloud und ein Justizportal mit Kommunikationsplattform sollen den Zugang zum Recht vereinfachen. Den Einsatz von KI-Assistenz will Schwarz-Rot ausbauen und Gerichtsverfahren verkürzen, „indem wir unter anderem den Zugang zur zweiten Tatsacheninstanz begrenzen“. Auch neue Vorgaben zur Strukturierung des Parteivortrages und erweiterte Präklusionsfristen sind geplant. Die Vorschläge der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“, die der DRB miterarbeitet hat, sollen aufgegriffen werden. Zur besseren Bewältigung von Massenverfahren kündigt die Koalition weitere gesetzgeberische Maßnahmen an, wie es der Richterbund seit Langem fordert.

 

Für das Strafverfahrensrecht will Schwarz-Rot eine Reformkommission ins Leben rufen, die die Strafprozessordnung mit dem Ziel schnellerer Ermittlungs- und Gerichtsverfahren grundlegend überarbeitet. Ferner will die Koalition für eine effektivere Strafverfolgung eine dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und zugehörige Port-Nummern einführen, auf die sich die Ampel-Koalition zuvor nicht verständigen konnte (dazu Pro & Contra in diesem Heft, ab S. 190). Auch andere Ermittlungsrechte der Staatsanwaltschaften will die Koalition erweitern. „Wir müssen unseren Ermittlern die notwendigen Befugnisse zur Verfügung stellen. Daher weiten wir die Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO soweit erforderlich aus“, heißt es im Koalitionsvertrag. Unter anderem soll die Befugnis zur Telefonüberwachung beim Wohnungseinbruchsdiebstahl entfristet, die Bekämpfung von Geldwäsche erleichtert und die Funkzellenabfrage umfassender möglich werden. Im Kampf gegen Hasskriminalität und Hetze im Netz soll ein „digitales Gewaltschutzgesetz“ die Rechtsdurchsetzung für Betroffene verbessern. Die von der Ampel auf den Weg gebrachte Teilfreigabe von Cannabis will Schwarz-Rot zügig auf den Prüfstand stellen: „Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes durch.“ Unter der Überschrift „Demokratische Resilienz“ wollen CDU, CSU und SPD zudem „das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Funktionsfähigkeit unseres Staates“ stärken. „Wir schützen die demokratische Integrität unserer Parlamente, des öffentlichen Dienstes und der Justiz“, so das Versprechen.

 

Bundesregierung setzt richtige Signale für einen starken Rechtsstaat

 

Die Delegierten des DRB waren sich einig, dass die neue Bundesregierung damit viele richtige Schritte beschlossen hat, um den Rechtsstaat widerstandsfähiger und zukunftsfest zu machen. Schwarz-Rot müsse jetzt aber sehr schnell ins Machen kommen, so die Erwartung der anwesenden Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Gerade in der Strafjustiz ist die Lage vielerorts prekär: Bundesweit fehlen mehr als 2000 Staatsanwälte und Strafrichter, die Ermittler schieben fast eine Million unerledigte Fälle vor sich her. Der von Union und SPD angekündigte Rechtsstaatspakt mit den Ländern muss vor diesem Hintergrund noch 2025 auf den Weg gebracht werden. Ohne schlagkräftige Strafverfolgungsbehörden droht die von Schwarz-Rot ausgerufene Sicherheitsoffensive zu scheitern.

 

Breiten Raum nahm beim Spitzentreffen des DRB in Berlin auch die Frage ein, wie sich die „Resilienz der Justiz“ gegen etwaige politische Durchgriffsversuche stärken lässt. Tief besorgt blicken viele in der Justiz nicht nur auf die AfD-Blockade des Richterwahlausschusses in Thüringen. Auch die Versuche in anderen Staaten, die Justiz als Kontrollinstanz zu schwächen, sind ein Alarmsignal. Immer deutlicher wird, dass es konkrete Initiativen braucht, um nach dem Bundesverfassungsgericht auch die Landesverfassungsgerichte und die Dritte Staatsgewalt insgesamt besser zu schützen. Unter anderem ist das Verfahren zur Besetzung von Richterstellen in den Blick zu nehmen. Es ist gesetzlich so auszugestalten, dass es nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden kann. Für Einstellungen in den Justizdienst, Übernahmen in das Dienstverhältnis auf Lebenszeit und Beförderungen dürfen ausschließlich die Kriterien der Eignung, Leistung und Befähigung maßgeblich sein. Um das zu gewährleisten, braucht es rechtlich festgeschriebene Anforderungsprofile, transparente Ausschreibungs- und Auswahlverfahren sowie starke Mitbestimmungsrechte der Justiz.

 

Ob nun mit Richterwahlausschuss, den 9 von 16 Bundesländern kennen, oder ohne: Die Justizgesetze der Länder müssen so robust gebaut sein, dass alle Durchgriffsversuche auf die Unabhängigkeit der Justiz an der Dritten Staatsgewalt abprallen. Die Resilienz der Landesverfassungsgerichte und die Frage, wer wie über die personelle Besetzung der Justiz zu entscheiden hat, gehören mit Priorität auf die politische Agenda. Das destruktive Wirken der AfD in Thüringen sollte Warnung genug sein, die Justizstrukturen jetzt weiter zu härten.

 

Sven Rebehn

Sven Rebehn
ist Chefredakteur der Deutschen Richterzeitung.

 

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Titelbild: © DRB