GG Art. 3 Abs. 1
Ein – erhöhte Anforderungen an die Begründung von Gesetzentwürfen auslösender – Systemwechsel im Besoldungsrecht liegt nicht vor, wenn der Landesgesetzgeber an der bisherigen, vom Bundesgesetzgeber vorgenommenen besoldungsrechtlichen Einstufung von Richterämtern festhält.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2024 – 2 B 28.24 –
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die besoldungsrechtliche Einstufung seines Amtes „Richter am Verwaltungsgericht“ gleichheitswidrig ist. Er steht als Richter am Verwaltungsgericht (Besoldungsgruppe R1 LBesG BB) im Justizdienst des beklagten Landes. Im August 2018 erhob er Widerspruch gegen seine Besoldung mit dem Ziel, fortan nach der Besoldungsgruppe R2 LBesG – der Besoldung eines Richters am Finanzgericht entsprechend – besoldet zu werden. Ein Widerspruchsbescheid erging nicht. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision blieb ebenfalls erfolglos.
Aus den Gründen:
[20] Bei der besoldungsrechtlichen Einstufung von Richtern ist vom Gesetzgeber das einschlägige Gerichtsverfassungsrecht zu berücksichtigen, soweit dort Vorschriften über den Aufbau der Gerichte, über den Instanzenzug und über die Zusammensetzung der einzelnen Spruchkörper u. a. enthalten sind, mithin Vorschriften, aus denen auf den Rang der einzelnen Gerichte und den Aufgabenkreis der Richter geschlossen werden kann und die ihrerseits mittelbar die besoldungsrechtliche Einordnung beeinflussen können. Dabei erlangt Bedeutung, dass den Finanzgerichten vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich der Status oberer Landesgerichte verliehen worden ist. Demgemäß stehen sie innerhalb der Finanzgerichtsbarkeit rangmäßig den anderen oberen Landesgerichten, den Oberverwaltungsgerichten, Oberlandesgerichten, Landessozialgerichten und den Landesarbeitsgerichten grundsätzlich gleich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1969 – 2 BvR 173/66 – BVerfGE 26, 116 <135 ff.>).
[21] Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die unterschiedliche Bewertung der Eingangsämter „Richter am Verwaltungsgericht“ und „Richter am Finanzgericht“ für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Die Differenzierung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, denn sie ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Einstufung des Eingangsamts „Richter am Finanzgericht“ in die Besoldungsgruppe R2 LBesG BB vollzieht – wie schon die bundesrechtliche Vorgängerregelung (vgl. BGBl. 1975 I S. 1216 f.) – offenkundig die Einstufung von Richtern an den anderen oberen Landesgerichten nach (vgl. Anlage 3 LBesG BB). Diese Erwägung ist sachlich vertretbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1969 – 2 BvR 173/66 – BVerfGE 26, 116 <139>) und lässt umgekehrt die besoldungsrechtliche Bewertung des am erstinstanzlichen Verwaltungsgericht tätigen „Richter am Verwaltungsgericht“ nach der Besoldungsgruppe R1 LBesG BB nicht willkürlich erscheinen.
[22] Dem steht nicht entgegen, dass sich die von der Beschwerde zitierte Gesetzesbegründung zur Einstufung des Amtes „Richter am Finanzgericht“ nicht explizit verhält. Aus ihr ergibt sich aber, dass sich der Gesetzgeber (auch) vom Gerichtsverfassungsrecht hat leiten lassen (vgl. BT-Drs. 7/1906 S. 99). Ungeachtet dessen galten für den Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt die vom Bundesverfassungsgericht erst im Jahre 2012 entwickelten erhöhten Anforderungen an die Begründung von Gesetzentwürfen zu beamten- und richterrechtlichen Besoldungsregelungen noch nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 – juris Rn. 23; Beschlüsse vom 15. April 2019 – 2 B 51.18 – Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 13 Rn. 17 und vom 27. Juni 2019 – 2 B 7.18 – Buchholz 245 LandesBesR Nr. 21 Rn. 32).
[23] Dass die Tätigkeit eines Richters am Verwaltungsgericht ungeachtet der den Finanzgerichten durch das Gerichtsverfassungs- und -verfahrensrecht zugewiesenen herausgehobenen Stellung ihrem Umfang und nach der mit dem Richteramt verbundenen Verantwortung keine Unterschiede zu der eines Richters am Finanzgericht aufweist, sodass eine Differenzierung in der Besoldung gleichheitswidrig erscheinen muss, wird von der Beschwerde nicht dargetan.
[24] bb) Soweit die Beschwerde der Sache nach die Frage aufwirft, ob es eine strukturelle Neuausrichtung der Besoldung in Gestalt eines Systemwechsels darstellt, wenn der Landesgesetzgeber nach Übergang der Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht an der zuvor vom Bundesgesetzgeber festgelegten besoldungsrechtlichen Einstufung eines Amtes festhält, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
[25] Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG gilt Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Aufhebung des Art. 74a GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fort. Es kann nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt werden. Das jeweilige Bundesland ist nicht verpflichtet, von der neuen Kompetenz Gebrauch zu machen. Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG verleiht ihm vielmehr eine „Ersetzungsbefugnis“, deren Ausübung im jeweils eigenen Ermessen steht (vgl. Wolff, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 125a Rn. 24; Degenhart, in: Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 125a Rn. 4; s. auch BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 2 C 82.08 – Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 27 Rn. 7; Beschluss vom 24. Mai 2024 – 4 B 15.23 – juris Rn. 8).
[26] Von dieser Ersetzungsbefugnis hat der Landesgesetzgeber durch Erlass des Besoldungsgesetzes für das Land Brandenburg Gebrauch gemacht. Mit der „Umsetzung der Föderalismusreform“ ist jedoch nicht – anders als die Beschwerde meint – „der bundesrechtliche Rechtszustand (endgültig)“ in einer Weise „beendet“ worden, die eine „Fortschreibung“ in dem von der Beschwerde verstandenen Sinne ausschließt. Dem verfassungsrechtlichen Auftrag, das Besoldungsrecht „in eigener Verantwortung“ zu regeln (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 636/02 – BVerfGE 111, 10 <30>; BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 2 C 82.08 – Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 27 Rn. 7), kann nicht die Verpflichtung entnommen werden, vom Bundesrecht divergierende Regelungen zu erlassen. Vielmehr ist der Landesgesetzgeber nicht gehindert, ein weitgehend mit dem bisherigen Bundesrecht gleichlautendes Landesrecht zu erlassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 636/02 – BVerfGE 111, 10 <30>). Folglich schließt die Einräumung einer Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Besoldungsrechts die Kompetenz mit ein, Richterämter neu zu bewerten und dies bei der besoldungsrechtlichen Einstufung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1981 – 2 BvR 570/76 – BVerfGE 56, 146 <161>). Eine Verpflichtung erwächst hieraus jedoch nicht.
[27] Überdies manifestiert sich eine strukturelle Neuausrichtung der Besoldung in Gestalt eines Systemwechsels darin, dass der Gesetzgeber als Ausfluss seiner Gestaltungsfreiheit auf die Bewertung eines Amtes und die damit einhergehende besoldungsrechtliche Einstufung „zugreift“, indem er ein Amt neu und niedriger oder höher bewertet, die Struktur der Besoldungsordnung oder die der einzelnen Besoldungsgruppen, die Struktur des Beamtengehalts sowie die Zahlungsmodalitäten grundsätzlich für die Zukunft ändert (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – BVerfGE 130, 263 <295>; BVerwG, Urteil vom 23. März 2021 – 2 C 17.19 – Buchholz 245 LandesBesR Nr. 24 Rn. 31).
[28] Hiervon hat der Landesgesetzgeber keinen Gebrauch gemacht, sondern an der zuvor bestehenden besoldungsrechtlichen Einstufung der Ämter „Richter am Verwaltungsgericht“ und „Richter am Finanzgericht“ festgehalten. Einen Systemwechsel hat er gerade nicht vorgenommen. Ungeachtet dessen besteht aufgrund der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers selbst bei unterstellter Gleichheitswidrigkeit des Besoldungsgefüges kein Anspruch darauf, dass im Falle einer hierdurch veranlassten Neuordnung des Besoldungssystems die besoldungsrechtliche Bewertung des Amtes „Richter am Verwaltungsgericht“ die Einstufung des Amtes „Richter am Finanzgericht“ nachvollzieht; vielmehr wäre auch die umgekehrte Herangehensweise denkbar.