Vom Amtsgericht Bad Iburg lernen

Immer mehr Gerichte sind auf Instagram aktiv. Ein weiteres Beispiel, dass die Justiz nicht nur durch ihre Urteile spricht.

 

Waren Sie schon mal in Bad Iburg? Ich habe es leider noch nicht in die Kleinstadt südlich von Osnabrück geschafft. Virtuell bin ich allerdings ab und zu in der Gegend. Und zwar auf dem Instagram-Account des Amtsgerichts Bad Iburg. Da erfährt man nämlich jede Menge über das Innenleben der Justiz. Immer auch mit einem gewissen Augenzwinkern (Zwinkersmiley!). Neulich hatten wir deswegen sogar einen Ohrwurm hier in der Redaktion. „Wär ich ein Aktenstück, dann wär ich eine Urkunde der 90er …“ So hatte der Account einen gerade sehr populären Hit umgedichtet. (Im Original: „Wär ich ein Möbelstück, dann wär ich eine Lampe aus den Siebzigern.“ Ja, Ihre Kinder kennen den Song. Suchen Sie gern mal nach dem Lied „Wackelkontakt“.) Und ganz nebenbei habe ich etwas gelernt zur Aufbewahrung und Vernichtung von Akten.

 

In den vergangenen Jahren habe ich in Diskussionen oder auf Podien eine gewisse Ratlosigkeit innerhalb der Justiz wahrgenommen. Alle reden von Social Media, aber wie genau soll die Justiz damit umgehen? Aus Sicht eines Beobachters von außen kann ich nur sagen: Vom Amtsgericht Bad Iburg können andere Gerichte eine Menge lernen. Immer mehr Gerichte tummeln sich auf Instagram und probieren Dinge aus. Eine Art Graswurzelpolitik, so wirkt das auf mich. In meiner journalistischen Arbeit gehören Angebote für Instagram, TikTok und Twitch inzwischen wie selbstverständlich dazu. Wir haben dabei den Vorteil, dass es eine Art Dach gibt, unter das wir schlüpfen können: die großen Accounts der Tagesschau. Auf Instagram zum Beispiel folgen ihnen rund 5,5 Millionen Menschen. Dort platzieren wir formatgerechte Beiträge, auch zu harten Themen wie den Prozessen gegen ehemalige KZ-Mitarbeiter („Warum soll ein 99-Jähriger heute noch vor Gericht?“), zum Grundgesetz-Geburtstag oder auch zu gesprächswertigen Themen wie der Bambushecke vor dem BGH. Ich gebe zu: Es ist weiterhin eine Herausforderung, wie man rechtliche Inhalte dort richtig gut präsentiert. Wir lernen täglich dazu.

 

Der Instagram-Account des Amtsgerichts Bad Iburg erklärt übrigens auch eigene Urteile mit kurzen Texten und Grafiken. „DNA-Beweis auf Klobrille“ heißt der Post, der erklärt, wie ein dreister Einbrecher überführt und verurteilt wurde. Oder es wird erläutert, warum das Gericht einen 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht verurteilt hat, der auf dem Dach eines Gymnasiums „gekokelt“ hatte. Das ist gut gemacht, finde ich. Sogar ein gewisser Dialog mit den Usern findet statt. Warum die Geldzahlung als Bewährungsauflage an die örtliche Feuerwehr geht, fragt jemand in den Kommentaren. Und das Gericht antwortet, nach welchen Kriterien Geldauflagen verteilt werden. Natürlich hat der Dialog mit Userinnen und Usern für die Justiz gewisse inhaltliche Grenzen. Aber möglich ist er. Eine weitere Grenze liegt in den Ressourcen. „Wer soll das alles denn produzieren?“, werden Sie sich sicher fragen. Die Pressesprecherinnen und -sprecher mit ihren wenigen Prozenten an Entlastung? Die bestehenden Accounts leben ganz bestimmt vom persönlichen Engagement vor Ort. In Bad Iburg geht die Direktorin des Amtsgerichts selbst immer wieder „in die Bütt“. Hier wären die Ministerien in der Verantwortung, mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

 

Spannend finde ich auch Instagram-Accounts, auf denen nicht die Institution, sondern die Person eines Richters oder einer Richterin im Vordergrund steht. Das war zum Beispiel bei der (inzwischen als Rechtsanwältin arbeitenden) Chemnitzer Richterin Martina Flade der Fall, die auf Instagram Einblicke in ihre tägliche Arbeit gab. So viel Personalisierung in der Justiz? Mit Einblicken, die auch mal über das rein Juristische hinausgehen? Ich würde sagen: Warum denn nicht? So ein Account kann die Welt der Justiz für eine neue Zielgruppe zugänglich machen, die sich sonst womöglich nie mit der Justiz beschäftigen würde. Und in der es – ganz nebenbei – potenzielle neue Arbeitskräfte geben könnte. Auch da ist das Amtsgericht Bad Iburg sehr aktiv und präsentiert sich als möglicher Arbeitgeber.

 

Dr. Frank Bräutigam
leitet die ARD-Rechtsredaktion in Karlsruhe und berichtet u. a. für die Tagesschau und tagesschau.de.