Im Thüringer Landtag verhinderte die AfD die Konstituierung der Justizwahlausschüsse. Mit ihrer Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Landtagssitze will sie Personalvorschläge für andere Gremien durchsetzen.
Der Thüringer Richterwahlausschuss besteht aus zehn vom Landtag gewählten Abgeordneten und fünf aus der Justiz gewählten Richtern. Er ist in Artikel 89 der Thüringer Landesverfassung verankert. Jede Lebenszeit-Einstellung eines Richters bedarf der Zustimmung des Richterwahlausschusses. Für die Einstellung der Staatsanwälte gibt es einen zweiten Ausschuss, der aber in der Verfassung nicht vorgeschrieben ist. Beide Ausschüsse treten je ein bis zwei Mal pro Jahr zusammen. In den kommenden fünf Jahren werden die Justizwahlausschüsse viel zu tun haben. Von rund 800 Thüringer Richtern und Staatsanwälten gehen bis 2030 immerhin 238 in Pension, mehr als ein Viertel. Wenn der Richterwahlausschuss nicht arbeitsfähig ist, kann Justizministerin Beate Meißner (CDU) nur noch Proberichter einstellen.
Im September 2024 war der Landtag in Thüringen neu gewählt worden. Die AfD ist jetzt stärkste Fraktion mit 32 Abgeordneten, gefolgt von CDU (23), BSW (15), Linke (12) und SPD (6). Es regiert eine Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD unter Ministerpräsident Mario Voigt (CDU). Am 30. Januar sollten der Richter- und der Staatsanwälte-Wahlausschuss jeweils neu besetzt werden. Laut Landesverfassung ist für die Wahl der Abgeordneten eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Am Ende erhielten aber nur die AfD-Kandidaten die notwendige Mehrheit. Sie waren offensichtlich von der Regierungskoalition mitgewählt worden. Die Kandidaten von CDU, BSW, Linke und SPD erhielten jeweils 30 bis 35 Gegenstimmen. Hier hatte offensichtlich die AfD mit ihrer Sperrminorität die erforderliche Zweidrittelmehrheit verhindert. Damit können sich die beiden Justizwahlausschüsse nicht neu konstituieren. Der Thüringer Richterbund warnte, die Justiz dürfe nicht zum „parteipolitischen Spielball“ werden.
Der AfD geht es bei ihrer Blockade nicht um eine angemessene Berücksichtigung in den Ausschüssen selbst, schließlich wurden ihre drei Kandidaten ja als einzige mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Torben Braga, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, sagte auf Nachfrage, es sei „weltfremd und unpolitisch“, eine Sperrminorität nur zur Durchsetzung von Zielen im Zuge der konkreten Abstimmung zu nutzen. Im Thüringer Landtag will die AfD mit der Blockade der Justizwahlausschüsse vielmehr ihre Personalvorschläge in anderen Gremien durchsetzen. So ist es der AfD bisher nicht gelungen, einen eigenen Landtagsvizepräsidenten zu erhalten. Ihr erster Vorschlag, die Abgeordnete Wiebke Muhsal, fiel im November durch, weil sie 2017 wegen Betrugs zulasten des Landtags verurteilt worden war. Den zweiten Vorschlag, Jörg Prophet, wollten CDU und Teile des BSW zunächst mitwählen. Nach Protesten wegen geschichtsrevisionistischer Äußerungen Prophets machte die CDU jedoch einen Rückzieher. Prophet erhielt deshalb ebenfalls nicht die erforderliche einfache Mehrheit. Daneben erhebt die AfD Anspruch auf Sitze in der Parlamentarischen Kommission zur Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz und in der G-10-Kommission des Landes, die konkrete Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes genehmigen muss. Bei der Wahl dieser Gremien AfD-Abgeordnete zu berücksichtigen, sei „noch schwieriger“, sagte Ulrike Jary, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU. Schließlich gilt die AfD in Thüringen laut Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“.
Dass die AfD den Thüringer Richterwahlausschuss blockiert, ist nicht neu. Bisher fehlte ihr zwar die Sperrminorität, doch sie nutzte eine andere Verfassungsbestimmung, wonach jede Fraktion im Ausschuss vertreten sein muss. Was eine breite Akzeptanz des Ausschusses sicherstellen soll, missbrauchte die AfD als Druckmittel. 2015 stellte sie den Abgeordneten Stephan Brandner, den die anderen Fraktionen zunächst wegen seiner rüden Art als Mitglied im Richterwahlausschuss abgelehnt hatten, einfach erneut zur Wahl. Und er wurde dann auch gewählt, damit der Ausschuss arbeitsfähig ist. 2020 ging die AfD noch weiter und verweigerte zunächst einen eigenen Personalvorschlag für den Richterwahlausschuss. So erzwang sie die Wahl des AfD-Abgeordneten Michael Kaufmann zum Landtagsvizepräsidenten. Eine Verhinderung solcher Blockaden durch eine gesetzliche Neuregelung des Wahlverfahrens wäre schwierig, weil die beiden Hebel der AfD (die Wahl der Ausschussmitglieder mit Zweidrittelmehrheit und die Pflicht, alle Fraktionen im Ausschuss zu beteiligen) in der Landesverfassung stehen und diese derzeit nur mit Zustimmung der AfD geändert werden kann.
In der nächsten Sitzungswoche des Thüringer Landtags steht die Neubestellung der beiden Justizwahlausschüsse erneut auf der Tagesordnung. Die AfD hat allerdings bereits wissen lassen, dass sie ihre Blockade nur aufgeben wird, sofern ihre eigenen Personalvorschläge für andere Gremien durchgehen. Wenn weiterhin keine Einigung über ein Personalpaket gelingt, bleibt die Blockade bestehen. Möglich ist dann aber, dass die Justizwahlausschüsse aus der letzten Wahlperiode reaktiviert werden. Gemäß § 52 des Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetzes bleiben sie „auch nach Beendigung der Wahlperiode des Landtags bis zur vollständigen Neuwahl im Amt“. Eine Dauerlösung ist das freilich nicht.
Auch bei der Landtagswahl in Brandenburg errang die AfD eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Landtagssitze. Allerdings ist bei der Wahl für den Brandenburger Richterwahlausschuss nur eine einfache Mehrheit erforderlich. Bei acht zu wählenden Abgeordneten (neben sechs Richtern, einem Anwalt und einem Staatsanwalt) erhielt die AfD einen Sitz. Auch in Brandenburg sind alle Fraktionen im Richterwahlausschuss zu beteiligen. Außerdem wurde im September 2024 in Sachsen gewählt. Dort gibt es aber keinen Richterwahlausschuss, die Richter werden ohne parlamentarische Beteiligung vom Justizministerium ernannt. Dort ist derzeit also nicht mit AfD-Störmanövern bei der Richterwahl zu rechnen. Umso schwieriger wäre die Lage jedoch, sollte die AfD in Sachsen den Justizminister stellen.